Recht am eigenen Bild: Weitergabe unbefugt hergestellter Fotos, strafbar nach § 23 KUG?

Kommentar zum Beschluss des BVerfG vom 23.Juni 2020 – 1 BvR 1716/17

Autor: Rechtsanwalt Christian Zahnow, LL.M.

15. Juli 2020 – In seiner jüngsten Entscheidung zum Recht am eigenen Bild hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass die Weitergabe von Fotos, die gegen den Willen des Abgebildeten angefertigt wurden, gemäß § 23 KUG strafbar sein kann.

Eine Bestrafung scheide allerdings dann aus, wenn es sich bei dem Foto um ein „Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ handelt.

Wann aber liegt ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vor?

Vor dem Jahr 2004 war diese Frage leichter zu beantworten als heute. Damals lag ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vor, wenn die Person, die es abbildete, eine Person der Zeitgeschichte war. Heute (nach der Caroline-Entscheidung des EGMR aus dem Jahr 2004) stellt die Rechtsprechung nicht mehr in erster Linie darauf ab, wer auf dem Bild zu sehen ist, sondern was.

Dieses „was“ umschreibt die Rechtsprechung mit dem Begriff „Ereignis der Zeitgeschichte“.

Was genau ein Ereignis der Zeitgeschichte vorliegen soll, darüber hüllt sich die Rechtsprechung seit der Änderung ihrer Leitlinien mehr oder weniger vornehm in Schweigen und versucht dieses Tatbestandsmerkmal weniger inhaltlich als vielmehr durch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen zu bestimmen (was streng genommen bedeutet, dass es dieses Tatbestandsmerkmal eigentlich gar nicht gibt).

Dieser dogmatischen Unsicherheit wurde nun durch die Entscheidung unseres höchsten deutschen Gerichts eine weitere Facette hinzugefügt. Das Gericht erkannte in der Fotoaufnahme eines Journalisten, der einen Patienten im Wartebereich eines Krankenhauses in der Annahme fotografierte, er habe einen Ebola-Patienten vor sich, ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Der Journalist wollte mit diesem Foto mangelnde Sicherheitsvorkehrungen des Krankenhaues in Bezug auf Ebola-Patienten dokumentieren.

Diese Argumentation leuchtet ein. Wenn beispielsweise jemand den Fall der Berliner Mauer fotografiert hätte, dann wäre jedem klar, dass hiermit ein zeitgeschichtliches Ereignis dokumentiert werden soll.

Was aber ist mit Fällen, in denen dies nicht so klar ist? Nicht selten erkennt man erst anhand der späteren Berichterstattung, die das Foto bebildert, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Soll man in diesen Fällen, in denen es nicht auf der Hand liegt, den Fotografen im Nachhinein fragen, was er mit seinem Foto dokumentieren wollte?

Das Bundesverfassungsgericht legt den Zeitpunkt der Einordnung, ob ein zeitgeschichtliches Ergebnis vorliegt, oder nicht, vor den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Berichterstattung. Dies wird in der rechtlichen Praxis viele weitere Fragen aufwerfen. Was ist, wenn der Fotograf ursprünglich ein zeitgeschichtliches Geschehen fotografieren wollte, die Zeitungsredaktion sich dann aber spontan entschließt, sein Foto in einem ganz anderen Kontext zu veröffentlichen? Worauf kommt es dann an? Auf die subjektive Vorstellung des Fotografen während des Fotografierens oder auf den Kontext der späteren Veröffentlichung?

Die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Bestimmung, ob ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegt oder nicht, ist nicht unbedenklich. Zumal diese Einordnung darüber entscheiden kann, ob strafrechtliche Sanktionen nach § 33 KUG folgen.

Die zeitliche Vorverlegung wird in dogmatischer Hinsicht dadurch ermöglicht, dass die Weitergabe des Fotos an den Zeitungsverlag als „verbreiten“ im Sinne des § 33 KUG angesehen wird. Es ist fraglich, ob unter diesem Begriff ein sauberes rechtliches Regime zum Schutz von Presse-Fotografen verankert und weiterentwickelt werden kann. Der dogmatisch zielführendere Ansatz wäre dies: Die Schaffung eines Gesetzes zum Schutz der Persönlichkeitsrechte.

 

© FIDELITAS 2020, Foto: Shutterstock

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